Deutsche und Smalltalk

Small Talk Web comic

Small Talk via xkcd

Auf meinen ersten Reisen in die USA war ich immer etwas überfordert mit den andauernd ausgetauschten Höflichkeiten, die ich schnell als Oberflächlich und ineffizient abgetan habe. Smalltalk wird vom Volk der Dichter und Denker nicht gerade wohlwollend aufgenommen. Das ändert sich aber.

Einmal nahm ich den, zurzeit sehr kontroversen und bekannten Fahrdienst der auf einem deutschen Wort basiert, um Freunde in Atlanta zu treffen. Ich stieg in den Wagen, der Fahrer fuhr los und da ich durch Zufall von einem kurz vorher geschehenen Unglück auf der Interstate wusste, war das ein willkommenes Smalltalk Thema. Wetter und Katastrophen – da findet man immer Common Ground.

Ich sprach also auf die kollabierte Brücke und die bevorstehenden Staus an, mein Fahrer antwortete während er das Auto aus dem verwinkelten Wohnviertel heraus lenkte. Da ich ihn nicht gleich verstand (Südstaaten), fragte ich nach und er antwortete wieder. So ging das kurz hin und her, bis er sich zu mir drehte, an sein Ohr tippte, um mir zu bedeuten, dass er telefoniert. Plötzlich ergaben auch seine Antworten einen Sinn. Headsettelefonie ist also immer noch ein Quell peinlicher Momente.

Trotzdem sehe ich auch die Vorteile von Smalltalk. Man stimmt sich aufeinander ein und findet eine gemeinsame Sprache.

...so ist Small Talk heute eine Art Synchronisation. Machen Sie sich ein Bild von Ihrem Gesprächspartner, entdecken Sie Gemeinsamkeiten, lassen Sie sich auf sein Denken, sein Fühlen ein. Letzteres ist die Voraussetzung dafür, genau so verstanden zu werden, wie wir verstanden werden wollen.
-- Susanne Kilian, Don’t let me be misunderstood!

Interessant ist dabei wie ich mir dabei meinem "Deutsch-Sein" bewusst werde und wie schwer es auch manchmal ist, Verständnis für andere Konzepte und Kulturen aufzubringen.

Der SWR sendete vor kurzem die Serie Das neue Deutschland in der ein Blick auf dieses Land von aussen geworfen wird. In Folge 6 geht es um Ordnung und Pünktlichkeit als Tugend der Deutschen. Die Deutsch-Amerikanerin Evelyn Goodman, ist Coach für interkulturelle Kommunikation und bemerkt, dass wir Deutschen in der Kommunikation eher schwach sind, dass wir zwar pünktlich zu Meetings erscheinen, jedoch regelmäßig diese überziehen, weil wir erst im Prozess der Besprechung miteinander warm werden und das Gegenüber kennen lernen (So lese ich es zumindest zwischen den Zeilen heraus). Eine Smalltalk-Kultur könnte helfen vorher schon miteinander warm zu werden und eine gemeinsame Ebene zu finden.

Den betreffenden Abschnitt kann man direkt hier nachhören: http://pca.st/5ROD#t=17m25s

In einem anderen Segment im Beitrag, geht es um Ordnung und Unordnung und wie sich beides auf Arbeit und Kreativität auswirkt. Dabei wird der durchaus gutgemeinte deutsche Drang nach Ordnung auch oft, als Innovationsbremse gesehen wie ein israelischer Internetunternehmer erfuhr. http://pca.st/5ROD#t=23m58s

Es ist nichts Neues, dass Überregulierung und Bürokratie in Deutschland eine Start-up Kultur verhindern. Andererseits kann und muss Deutschland auch nicht zu einer Start-up Nation werden, weil mit Besonnenheit und langem Atem ebenso Qualitäten vorliegen die sich als Vorteilhaft herausstellen können.
Ein bisschen mehr Chaos und Austausch könnte uns aber guttun.